Donnerstag, 9. Oktober 2014

Ängste bei Kindern können auch von bösen Menschen verursacht werden


Wenn Kinder mit Fremden mitgehen – meine Geschichte, wie sie alltäglich passieren kann

Wenn Kinder mit Fremden mitgehen – meine Geschichte, wie sie alltäglich passieren kann
Ich war acht Jahre alt. Jeden Nachmittag nach den Hausaufgaben waren wir Kinder verabredet – zum Spielen auf dem Spielplatz. Ich war an diesem Tag die erste und wartete auf meine Freunde. Währenddessen schnitzte ich zum Zeitvertreib mit einem Taschenmesser, das ich kurz vorher von einem Schulfreund geschenkt bekommen hatte, an einem Stück Ast herum.
Das war der Nachmittag, an dem „er“ vorbeigelaufen kam. Mein kindlicher Instinkt sagte mir gleich „dieser Mensch ist böse“. Leider bin ich nicht weggerannt…
Der erste Kontakt – ganz harmlos
Er sprach mich an und fragte mich, woher ich dieses Messer hätte. Ich antwortete ihm ehrlich, es sei ein Geschenk gewesen. Anschließend fragte er mich, ob ich noch Geschwister hätte und auch diese Frage beantwortete ich – mit Ja. In diesem Moment wendete sich ganz plötzlich das Blatt.
Die Freundlichkeit schlägt um in Drohungen
Aus seinen zunächst vordergründig interessierten Fragen wurden auf einmal heftige Beschuldigungen. Er behauptete, dass ich das Messer aus der Werkstatt seiner Eltern gestohlen hätte! Wenn ich nicht sofort mit ihm mitginge, würden meine Eltern angezeigt werden und ins Gefängnis kommen. Für meine Schwester und mich bliebe dann nur der Weg ins Heim.
Angst um die Familie und Angst um sich selbst
Dieser Mensch, der damals auch noch nicht sehr alt war, schätzungsweise 16 Jahre alt, hatte mich da, wo er mich haben wollte. Ich bin mitgegangen…
Er war mir in der Situation überlegen und hatte mich raffiniert mit einer dreisten Lügengeschichte unter Druck gesetzt und bedroht. Die Angst war so groß, dass ich das tat, was er verlangte.
Warum schweigen die Opfer oft lange?
Diese Erfahrung kostete mich sehr viel Vertrauen. Aus einer selbstständigen, lebensfrohen Schülerin war wieder ein kleines, hilflos ängstliches Mädchen geworden, das von ihren Eltern zur Schule gebracht und wieder abgeholt werden musste. Ich wollte, ja konnte sogar lange Zeit nicht mehr runter zum Spielen. Bei jeder Fremden Person, die mir entgegen kam, hatte ich Angst.
Natürlich bemerkten meine Eltern wie ich mich verändert hatte, doch ich wollte ihnen nichts erzählen. Ganz gleich wie sehr meine Mama versuchte, etwas aus mir herauszubringen, es funktionierte nicht.
Aus meiner heutigen Sicht war es noch zu früh, etwas zu erzählen, je mehr ich bedrängt wurde, umso mehr verschloss ich mich. Heute verstehe ich, dass es weniger die Angst um mich selbst war, sondern die Angst um meine Familie. Der „Täter“ bedrohte in meinen Augen vor allem meine Eltern! Ich fühlte mich verantwortlich dafür, dass sie nicht mit Gefängnis rechnen mussten, obgleich ich doch wusste, dass alles eine Lügengeschichte war.
Was kann ich als Elternteil tun?
Viele Kinder verschließen sich in einer vergleichbaren Situation zunächst und haben Angst vor den Konsequenzen, vor allem weil sie nicht wissen, welche Konsequenzen ihnen bevorstehen. (Mir war damals auch nicht klar, dass eine Gefängnisstrafe für meine Eltern eine völlig unrealistische Drohung war, dass meine Eltern die Polizei hätten einschalten können usw.)
Wichtig ist: Verstehen Sie das Schweigen nicht als Zeichen von mangelndem Vertrauen – ich vertraute meinen Eltern damals sehr. Geben Sie aber Ihren Kindern Zeit, wenn Sie Veränderungen bemerken, bedrängen Sie sie nicht.
Mögliche Anzeichen für eine Bedrohungssituation oder einen Missbrauch
Versuchen Sie, aufmerksam und sensibel zu sein und mögliche Anzeichen für eine Bedrohungssituation oder gar im schlimmsten Fall einen Kindesmissbrauchs wahrzunehmen:
– Das Kind meidet plötzlich bestimmte Orte und/oder Personen.
– Es zeigt Unlust oder vermeidet sogar, mit anderen Kindern zu spielen.
– Es wird ungewohnt aggressiv gegen sich selbst und/oder andere.
– Es verletzt sich selbst vorsätzlich.
– Es zieht viele Kleidungstücke übereinander an, trägt auf einmal viel zu große Kleidungsstücke, um sich unattraktiv zu machen, o. Ä.
– Als Mädchen schminkt es sich plötzlich auffällig und kleidet sich nicht altersgemäß körperbetont.
– Das Kind zeigt ein frühreifes Verhalten und übermäßige sexuelle Neugierde.
– Es macht anzügliche Bemerkungen, die bisher nicht seiner Art oder seinem altersgemäßen
Wortschatz entsprechen.
– Es spielt dem Alter unangemessene Spiele mit sexuellem Hintergrund.
– Es malt Bilder von Geschlechtsteilen oder Missbrauchssituationen, diese können auch verschlüsselt sein.
– Es exhibitioniert sich (versucht durch Bloßstellen der Genitalien, auf sich aufmerksam zu
machen).
– In der Schule machen sich plötzlich schwächere Leistungen bemerkbar.
– Es leidet unter Konzentrationsstörungen, chronischer Erschöpfung, extremer Müdigkeit.
– Es legt plötzlich ein ungewöhnliches Waschverhalten an den Tag, es hat das Gefühl der “Unreinheit” oder empfindet “ich bin schmutzig”.
– Es hat nachts Alpträume, schläft sehr unruhig und/oder wacht schreiend auf.
– Es nässt oder kotet sich plötzlich wieder ein.
– Es hat ohne erklärbare Ursache häufig Bauchschmerzen
Bitte beachten Sie immer, dass sämtliche Anzeichen für sich genommen auch ganz natürliche, normale Ursachen haben können – bleiben sie aufmerksam und sensibel im Kontakt mit dem Kind.

Quelle: http://www.projekt-kinderaugen.de/erkennen.html

Mittwoch, 1. Oktober 2014

Psychologie der Vorurteile

Mädchen können eh kein Mathe. Jungs sind laut und spielen Fußball -


Vorurteile, Klischees, in Schubladen denken und eben auch Stereotype sind alles verschiedene Ausdrücke, die im Grunde dasselbe bedeuten. Wir bilden uns eine Meinung über eine Situation oder einen Menschen ohne alle dazugehörigen Fakten zu kennen.
So ein vorgefasstes Wissen über bestimmte wiederkehrende Abläufe kann uns einerseits den Umgang miteinander ungemein erleichtern, andererseits ihn auch erschweren.
Beispielsweise hat vermutlich jeder von uns eine Vorstellung im Kopf, wie ein Restaurantbesuch ablaufen wird: Wir betreten das Restaurant, setzen uns, der Kellner bringt die Karte, geht wieder, nimmt die Bestellung auf, bringt das Essen und zum Schluss müssen wir bezahlen. Der Gast kann sich entspannen, weil er weiß was als nächstes auf ihn zukommt und seine Erwartungen erfüllt werden. Ein höheres Maß an Aufmerksamkeit bedarf es allerdings, wenn wir überrascht werden von einem nicht erwartungskonformen Restaurantbesuch, in dem wir uns zum Beispiel das Essen selbst an einem Grill zubereiten müssen oder bei dem der Kellner nicht an den Tisch kommt.

Ein erhöhtes subjektives Stressempfinden ist die Folge davon.
Auf der anderen Seite kann eine stereotype Einschätzung des Gegenübers die Kommunikation zwischen zwei Menschen auch erheblich verfälschen. Es sind schließlich nicht alle Blondinen doof, alle Brillenträger oberschlau und nicht alle kleinen Männer fahren ein großes Auto.
Unsere Vorurteile beeinflussen nicht nur unser Denken über die Mitmenschen, sondern haben auch Auswirkungen darauf, wie unsere Mitmenschen über sich selber denken und sich dementsprechend verhalten.

 Psychologische Forscher einer italienischen Universität ließen 60 Frauen einen schwierigen Mathematiktest durchführen. Der einen Hälfte wurde gesagt, dass Frauen bei diesem Test meist schlechter abschneiden als Männer, der anderen Hälfte wurden keine weiteren Informationen gegeben. Anhand der Ergebnisse in dem Mathetest konnte nachgewiesen werden, dass die Frauen, die mit dem negativen Stereotype über ihre Mathematikfähigkeiten konfrontiert wurden, tatsächlich auch eine schlechtere Leistung in dem Test gezeigt haben. Die Gruppe Frauen, die keine Vorinformationen erhalten hatten, erzielten bessere Ergebnisse.
Alleine das vermeintliche Wissen, dass man in einer Aufgabe schlecht abschneiden könnte, bringt uns dazu diese Vorhersage auch zu erfüllen.
Dieser Zusammenhang wird „selbsterfüllende Prophezeiung“ genannt.


Wohl die meisten Stereotype existieren allerdings über Männer und Frauen (z.B. „Warum Männer nicht zuhören und Frauen schlecht einparken.“). Diese Vorurteile bestehen sehr häufig auch schon über Mädchen und Jungs. Jungs spielen gerne Fußball und raufen sich. Wenn sie das nicht tun, stimmt vielleicht etwas mit ihnen nicht? Mädchen spielen gerne mit Puppen und sind nur ganz selten frech. Und wenn doch? Werden sie dann härter bestraft als Jungs? „Die sind ja eben so.“

Die Individualität eines Menschen lässt sich nur sehr bedingt mit Stereotypen erfassen.
Nehmen wir uns die Zeit, die notwendig ist.

Im Übrigen wurde dieses Jahr wieder die höchste Auszeichnung in der Mathematik verliehen an die 37-jährige Frau Maryam Mirzakhani.

Die Autorin Leona Steinack ist Diplom-Psychologin und Kinder- und Jugendlichenpsychotherapeutin in Ausbildung.
Literatur
Cadinu, Maass, Rosabianca, und Kiesner (2005)