Mädchen können eh kein Mathe. Jungs sind laut und spielen Fußball -
Vorurteile, Klischees, in Schubladen denken und eben auch Stereotype sind alles verschiedene Ausdrücke, die im Grunde dasselbe bedeuten. Wir bilden uns eine Meinung über eine Situation oder einen Menschen ohne alle dazugehörigen Fakten zu kennen.
So ein vorgefasstes Wissen über bestimmte wiederkehrende Abläufe kann uns einerseits den Umgang miteinander ungemein erleichtern, andererseits ihn auch erschweren.
Beispielsweise hat vermutlich jeder von uns eine Vorstellung im Kopf, wie ein Restaurantbesuch ablaufen wird: Wir betreten das Restaurant, setzen uns, der Kellner bringt die Karte, geht wieder, nimmt die Bestellung auf, bringt das Essen und zum Schluss müssen wir bezahlen. Der Gast kann sich entspannen, weil er weiß was als nächstes auf ihn zukommt und seine Erwartungen erfüllt werden. Ein höheres Maß an Aufmerksamkeit bedarf es allerdings, wenn wir überrascht werden von einem nicht erwartungskonformen Restaurantbesuch, in dem wir uns zum Beispiel das Essen selbst an einem Grill zubereiten müssen oder bei dem der Kellner nicht an den Tisch kommt.
Ein erhöhtes subjektives Stressempfinden ist die Folge davon.
Auf der anderen Seite kann eine stereotype Einschätzung des Gegenübers die Kommunikation zwischen zwei Menschen auch erheblich verfälschen. Es sind schließlich nicht alle Blondinen doof, alle Brillenträger oberschlau und nicht alle kleinen Männer fahren ein großes Auto.
Unsere Vorurteile beeinflussen nicht nur unser Denken über die Mitmenschen, sondern haben auch Auswirkungen darauf, wie unsere Mitmenschen über sich selber denken und sich dementsprechend verhalten.
Psychologische Forscher einer italienischen Universität ließen 60 Frauen
einen schwierigen Mathematiktest durchführen. Der einen Hälfte wurde
gesagt, dass Frauen bei diesem Test meist schlechter abschneiden als
Männer, der anderen Hälfte wurden keine weiteren Informationen gegeben.
Anhand der Ergebnisse in dem Mathetest konnte nachgewiesen werden, dass
die Frauen, die mit dem negativen Stereotype über ihre
Mathematikfähigkeiten konfrontiert wurden, tatsächlich auch eine
schlechtere Leistung in dem Test gezeigt haben. Die Gruppe Frauen, die
keine Vorinformationen erhalten hatten, erzielten bessere Ergebnisse.
Alleine das vermeintliche Wissen, dass man in einer Aufgabe schlecht
abschneiden könnte, bringt uns dazu diese Vorhersage auch zu erfüllen.
Dieser Zusammenhang wird „selbsterfüllende Prophezeiung“ genannt.
Wohl die meisten Stereotype existieren allerdings über Männer und Frauen (z.B. „Warum Männer nicht zuhören und Frauen schlecht einparken.“). Diese Vorurteile bestehen sehr häufig auch schon über Mädchen und Jungs. Jungs spielen gerne Fußball und raufen sich. Wenn sie das nicht tun, stimmt vielleicht etwas mit ihnen nicht? Mädchen spielen gerne mit Puppen und sind nur ganz selten frech. Und wenn doch? Werden sie dann härter bestraft als Jungs? „Die sind ja eben so.“
Die Individualität eines Menschen lässt sich nur sehr bedingt mit Stereotypen erfassen.
Nehmen wir uns die Zeit, die notwendig ist.
Im Übrigen wurde dieses Jahr wieder die höchste Auszeichnung in der Mathematik verliehen an die 37-jährige Frau Maryam Mirzakhani.
Die Autorin Leona Steinack ist Diplom-Psychologin und Kinder- und Jugendlichenpsychotherapeutin in Ausbildung.
Literatur
Cadinu, Maass, Rosabianca, und Kiesner (2005)
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