Samstag, 20. September 2014

Pubertät kann krank machen

Pubertät: Krise als Chance

Pubertät

Der 14jährige Felix ist verunsichert. Zum einen möchte er noch so lange wie möglich bei seiner Mutter bleiben. Er hat sie sehr gern und kann sich nicht vorstellen, irgendwann getrennt von ihr sein eigenes Leben zu führen.
Andererseits findet er den Vorschlag seines Freundes Paul, der schon 16 ist, sehr reizvoll. Er hat ihm angeboten, in 2 Jahren gemeinsam mit anderen Kumpels in eine WG zu ziehen. Die Unabhängigkeit gemeinsam mit Freunden zu wohnen, fasziniert Felix auch sehr. Aber was wird seine Mutter dazu sagen? Er ist hin und her gerissen. Einmal fühlt er sich wie ein kleines Kind und sucht die Nähe zu seiner Mutter. Es tut ihm dann leid, dass er ihr so selten hilft und ihre Fragen überhört. Kurz darauf kann es passieren, dass er sie anschreit und seine Zimmertür zuknallt. Dann ist er wieder der coole Jugendliche, der nichts mit seinen Eltern zu tun haben will. Alles was zählt, ist die Clique der Gleichaltrigen.
Die meisten Erwachsenen erinnern sich noch an solche wechselnden Gefühle, wenn sie an ihre eigene Pubertät denken. Das Streben nach Unabhängigkeit und der Reiz neuer Erfahrungen sind ihnen noch genauso in Erinnerung wie die Unsicherheit bei der ersten Verliebtheit.
Trotzdem fällt es vielen Eltern schwer, mit den ständigen Stimmungsschwankungen und dem Rückzug ihrer pubertierenden Kinder umzugehen. Auch wenn sie vorher ein entspanntes unkompliziertes Verhältnis zu ihnen hatten, kommt es jetzt schnell zu Konflikten. Da die Pubertät tendenziell, gerade in Großstädten, immer früher beginnt, ist die Familie mit den Problemen oft zeitiger und manchmal auch länger konfrontiert.
Viele Eltern klagen über trödelnde und träge Jugendliche, die morgens müde sind und abends zu spät ins Bett gehen, wenig Engagement im Haushalt zeigen, vergesslich und motivationslos sind.
Jugendliche dagegen beschweren sich über ständig nervende Eltern, die veraltete Ansichten haben, zuviel von ihnen fordern und einfach peinlich sind.
Doch selbst wenn Eltern versuchen, auf die Bedürfnisse ihrer heranwachsende Kinder einzugehen, nehmen Kommunikationsprobleme häufig zu. Es spielt dabei scheinbar keine Rolle mehr, wie die Eltern auf ihre Kinder zugehen. Die Gespräche mit ihnen werden nur als anstrengend empfunden. Doch auch wenn Ratschläge der Erwachsenen zunächst abgewiesen werden, regen sie die Jugendlichen doch oft zum späteren Nachdenken an.
Die Erziehung durch die Eltern ist mit der Pubertät noch lange nicht zu Ende. Eine kontinuierliche Beziehungsarbeit bleibt weiter notwendig. Auch wenn sich die Jugendlichen zurückziehen und den Kontakt vermeiden, ist es doch wichtig, sie nicht allein zu lassen.
Die Abgrenzung von den Eltern ist ein natürlicher Prozess, den die Kinder durchleben müssen, um ihre eigene Identität zu definieren. Problematisch ist es eher, wenn Jugendliche sich nicht trauen, offensiv gegen ihre Eltern zu rebellieren. Das kann zu einer Form von stiller Revolte führen. Selbstzerstörerische Tendenzen, Drogen- und Medikamentenmissbrauch oder Essstörungen sind oft Formen unterdrückter Autonomiebestrebungen. Jugendliche mit diesen Problemen wachsen zum Teil in extrem überbehütenden aber auch leistungsorientierten Elternhäusern auf, in denen Konflikte nicht offen ausgetragen werden.
Doch auch ein elterlicher Rückzug in der Erziehung, der die Jugendlichen mit ihren Entscheidungen allein lässt und zu viel Freiraum bietet, kann sich ungünstig auswirken. In dem Fall versuchen die Heranwachsenden meist anders auf sich aufmerksam zu machen, zum Teil mit grenzüberschreitendem Verhalten. Auch wenn sie dadurch nur negative Aufmerksamkeit bekommen.
Die Jugendlichen erleben in der Pubertät neben den deutlichen körperlichen Entwicklungen fast noch größere Veränderungen auf geistiger, seelischer und emotionaler Ebene. Das Denken wird abstrakter, die Wahrnehmung der sie umgebenden Gesellschaft kritischer und die intellektuelle und soziale Kompetenz wächst.
Sie versuchen herauszufinden, wie glaubwürdig die Erwachsenen sind und sich eine unabhängige eigene Meinung zu bilden. In dieser Phase orientieren sie sich eher an Gleichaltrigen oder auch an Vorbildern und Idolen. Gleichzeitig sehnen sie sich aber auch nach Anerkennung und brauchen weiterhin die Sicherheit und Unterstützung ihrer Familie.
Die Ablösung vom Elternhaus gelingt Heranwachsenden in jedem Fall besser vor dem Hintergrund einer gefühlsmäßig stabilen sicheren Beziehung zu ihren Eltern, die aber nicht einengen sollte. Ein offenes und gleichberechtigtes Verhältnis bietet den Jugendlichen die Grundlage, selbstständig zu werden und Verantwortung für sich zu übernehmen. So kann es unter guten Voraussetzungen auch zu besserem Verständnis füreinander und gegenseitigem Vertrauen kommen.
Dem würde auch Felix zustimmen. Er hat mittlerweile Selbstsicherheit im Umgang mit seiner Mutter gewonnen. In Youtube-Tutorials hat er sich Anregungen zum “konfliktfreien Umgang mit Eltern” geholt und ist Mitglied eines Online-Forums geworden, wo er Erfahrungen mit Gleichaltrigen austauscht.
Artikel: Frauke Ritter, Kunsttherapeutin


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